Forschungsergebnisse der Welle 2019

Befund 1: Medienvertrauen auch im Jahr 2019 insgesamt recht stabil, jedoch Polarisierung erkennbar

Die Daten, für die 1.200 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren befragt wurden, zeigen, dass 43 Prozent den etablierten Medien in wichtigen Fragen vertrauen. Die Zustimmung bleibt damit seit nunmehr vier Jahren in Folge vergleichsweise konstant (2016: 41 Prozent; 2017: 42 Prozent; 2018: 44 Prozent). Allerdings äußern 28 Prozent Misstrauen – ein Anstieg gegenüber dem langjährigen Trend (2016: 22 Prozent; 2017: 17 Prozent; 2018: 22 Prozent) Die Gruppe derjenigen, die beim Vertrauen eine mittlere Position einnehmen („teils, teils“) ist so klein wie noch nie in den bisher sechs Umfragewellen der Mainzer Forschungsgruppe. Ihr Anteil beträgt nun 29 Prozent. 2018 waren es 34 Prozent, im Jahr 2008 noch 63 Prozent. Offenbar sehen sich immer mehr Menschen angesichts einer sich immer weiter polarisierenden Debattenkultur dazu veranlasst, auch selbst Position zu beziehen.
 

 

Befund 2: Lügenpresse-Vorwürfe sind weiterhin verbreitet, aber immer mehr Bürger widersprechen

Etwa jeder fünfte Bürger in Deutschland wirft den Medien vor, die Bevölkerung systematisch zu belügen. Zugleich wächst die Zahl der Menschen, die solche Vorwürfe zurückweisen. Insgesamt stimmen 18 Prozent der Bevölkerung der Aussage zu: „Die Bevölkerung in Deutschland wird von den Medien systematisch belogen.“ 2018 waren es 16 Prozent, 2016 19 Prozent. In der neuen Umfrage weisen jedoch 58 Prozent den „Lügenpresse“-Vorwurf zurück – dies ist der bisher höchste gemessene Wert in der Langzeitstudie. Ein Jahr zuvor waren es 51 Prozent, 2016 nur 44 Prozent. Die Zahl der Menschen, die sich nicht auf eine Seite festlegt, ist kontinuierlich gesunken und liegt nun bei 22 Prozent (2016 waren es 36 Prozent). Eine ähnliche Polarisierung wie beim „Lügenpresse“-Vorwurf zeigt sich bei anderen Aussagen. So stimmen 23 Prozent der Aussage zu: „Die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“ 53 Prozent wenden sich gegen diesen Vorwurf. Im Jahr 2016 lag die Zustimmung bei 27 Prozent, die Ablehnung bei 40 Prozent. Insgesamt weisen mehr Menschen als in den vergangenen Jahren Aussagen zurück, die den Medien absichtliche Manipulation und systematische Lüge vorwerfen.

 

 

Befund 3: Stabiles Vertrauen in öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Das Vertrauen ins öffentlich-rechtliche Fernsehen ist seit Jahren recht stabil. In der aktuellen Erhebungswelle vertrauen ihm 67 Prozent der Bevölkerung (2018: 65 Prozent, 2016: 69 Prozent). Regionalzeitungen liegen mit 65 Prozent direkt dahinter. In der Umfrage wurde zwischen regionalen und überregionalen Zeitungen unterschieden. Überregionale Zeitungen werden von 55 Prozent der Befragten als vertrauenswürdig eingeschätzt (2018: 49 Prozent). Die Daten zeigen allerdings auch, dass viele Menschen überregionale Zeitungen nicht (mehr) aus eigenem Lesen und Erleben kennen: So enthalten sich 20 Prozent der Befragten eines Urteils über die Vertrauenswürdigkeit der überregionalen Presse.
 

 

Befund 4: Vertrauen in Berichterstattung über Wohnungsnot und Klimawandel relativ hoch, umstrittener ist die Berichterstattung über die AfD oder den Islam

Das Medienvertrauen der Bürger ist nicht über alle Themen hinweg gleich groß: Übergreifend vertrauen 43 Prozent der Deutschen den etablierten Medien bei „wichtigen Dingen“. Beim Thema „Wohnungsnot“, das in der Diagnose wenig umstritten ist, halten 55 Prozent die Berichterstattung für vertrauenswürdig, nur 16 Prozent haben kein Vertrauen, die übrigen äußern sich unentschieden oder gar nicht. Beim Klimawandel haben 48 Prozent Vertrauen in die Medien, 23 Prozent nicht. Umstrittener ist die Berichterstattung über die AfD: Hier haben nur 36 Prozent Vertrauen, 32 Prozent haben kein Vertrauen. Nur 31 Prozent äußern Vertrauen in die Berichterstattung über den Islam.

 

 

Befund 5: Social Media gewinnen leicht an Vertrauen

Das Vertrauen in Social-Media-Angebote als Quelle von Nachrichten ist gestiegen, nachdem das Image des Internets in den Vorjahren unter den Debatten über Datenskandale und Fake News gelitten hatte. Ein Faktor könnten Auswirkungen von Imagekampagnen der Digitalkonzerne sowie politische Regulierungen beziehungsweise Debatten über Regulierungen sein. 2018 äußerten nur vier Prozent Vertrauen zu den Nachrichten in sozialen Netzwerken, in der neuen Umfrage sind es 10 Prozent. Der Anteil derjenigen, die Nachrichten in sozialen Netzwerken nicht für vertrauenswürdig halten, liegt nun bei 45 Prozent (2018: 51).

 

 

Befund 6: Geringe Zufriedenheit mit der Demokratie und pauschale Medienkritik hängen zusammen

Wie in den Vorjahren legen die Befunde nahe, dass das Vertrauen in die etablierten Medien im Zuge der „Lügenpresse“-Debatte keineswegs in großem Stil erodiert ist. Dennoch hat sich ein relevanter Kern an Kritikern herausgebildet, der die etablierten Medien pauschal verurteilt. Dieser Kern ist zuletzt angewachsen, bei einer insgesamt seit Jahren zunehmenden Polarisierung, die sich klar in den Daten niederschlägt. Menschen, die gegenüber den etablierten Medien zynisch eingestellt sind, finden sich überdurchschnittlich häufig am rechten Rand des politischen Spektrums. Sie sind formal niedriger gebildet, deutlich politikverdrossener und sie haben Angst, dass sich ihre wirtschaftliche Situation in der Zukunft verschlechtern wird. Darüber hinaus zeigt sich, dass die etablierten Medien vor allem von denjenigen Bürgern pauschal verurteilt werden, die häufig alternative Nachrichtenquellen im Social Web konsumieren und regelmäßig Nutzerkommentare auf den Seiten der etablierten Medien schreiben.
 

 

 

Hinweis zur Methodik

Die Angaben basieren auf einer repräsentativen Telefon-Umfrage (CATI), die das Meinungsforschungsinstitut IFAK im Auftrag der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt hat. Befragt wurden im November und Dezember 2019 1.200 Personen ab 18 Jahren. Die statistische Fehlertoleranz beträgt maximal 2,8 Prozent.

 

Informationen zur Studie
Das langfristig angelegte Projekt basiert auf über einem Jahrzehnt kommunikationswissenschaftlicher Vertrauensforschung am Institut für Publizistik der JGU Mainz. Im Mittelpunkt stehen regelmäßige bevölkerungsrepräsentative Befragungen, welche die dynamischen Entwicklungen, Ursachen und Folgen von Medienvertrauen in Deutschland erheben. Schwerpunkte der Studie sind u.a. die Verbreitung von gerechtfertigter und konspirativer Medienkritik (u.a. „Lügenpresse“-Vorwürfe) und die empirischen Beziehungen zwischen Medienvertrauen, Mediennutzung, politischen und gesellschaftlichen Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften.

 

Grafiken zur Welle 2019