Auch im Jahr 2024 hat sich das Niveau des Vertrauens in die Medien nicht fundamental geändert: Dass sie den Medien bei wichtigen Dingen (z. B. Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale) vertrauen, sagten 47 Prozent der Bevölkerung. Weitere 34 Prozent geben an, dass dies „teils, teils“ zuträfe. Dieser großen Mehrheit von Menschen mit zumindest einem gewissen Maß an Medienvertrauen stehen 20 Prozent gegenüber, die den Medien „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ vertrauen. Zu keinem Zeitpunkt lässt sich eine generelle Vertrauenskrise diagnostizieren in dem Sinne, dass es einen stetigen Rückgang auf der einen Seite und ein Wachstum auf der anderen gäbe. Das Medienvertrauen wird vielmehr vom zeitgeschichtlichen Kontext und der gesellschaftlichen Debattenlage bewegt. Die jährlichen Unterschiede verbleiben - vom Corona-Hoch abgesehen, meist innerhalb der statistischen Fehlertoleranz. Die Analysen zum wachsenden Medienzynismus und zur Verrohung der gesellschaftlichen Debatte differenzieren dieses Bild jedoch (s.u.).
Betrachtet man das Vertrauen in einzelne Mediengattungen im Vergleich, rangiert auch 2024 das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit 61 Prozent auf Platz 1. Dies ist im Langzeitvergleich der bisher niedrigste Vertrauenswert. Auf der Gegenseite ist der Anteil an Personen, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen „überhaupt“ bzw. „eher nicht vertrauenswürdig“ finden, seit der Erhebung 2016 von fünf auf 13 Prozent angestiegen. Von diesem Negativtrend kann jedoch keine andere Mediengattung profitieren: Das private Fernsehen finden nur 17 Prozent in 2024 „sehr“ bzw. „eher vertrauenswürdig“, Boulevardzeitungen wie BILD werden nur von drei Prozent der Bevölkerung überhaupt als vertrauenswürdig eingeschätzt. Vergleicht man das Segment der Tageszeitungen, erweisen sich auch 2024 die überregionalen Tageszeitungen als die Platzhirsche im Vertrauensranking - hier gibt es im langjährigen Vergleich kaum Bewegung, wohingegen die regionalen Tageszeitungen seit Jahren einen gewissen Rückgang im Vertrauen erleben, der mit dem Rückgang der Nutzung zusammenhängen dürfte.
Beim Vertrauen in Online-Angebote zeigen nahezu alle Indikatoren im langjährigen Vergleich nach unten. Wer angenommen hat, dass etwa Social Media oder Alternativmedien von wachsender Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk profitieren würden, wird enttäuscht: Soziale Medien halten im Jahr 2024 nur drei Prozent der Bevölkerung für "eher" oder "voll und ganz" vertrauenswürdig, bei Videoplattformen wie YouTube sind es acht Prozent, bei alternativen Nachrichtenseiten nur noch vier Prozent - und damit ist der bisher niedrigste Wert erreicht. Ob man nach politisch dem rechten oder linken Lager unterscheidet, scheint bei der Bewertung von Alternativmedien vor allem dann einen Unterschied zu machen, wenn man die Ablehnung dieser Medien vergleicht: 68 Prozent der Bevölkerung finden rechte Alternativmedien nicht vertrauenswürdig (vs. 4 Prozent, die das finden), 49 Prozent finden linke Alternativmedien nicht vertrauenswürdig (vs. 6 Prozent, die das finden).
Da die Forschung schon seit längerem diagnostiziert hat, dass Medienvertrauen stark mit politischen Einstellungsmustern und Themenkonjunkturen in der gesellschaftlichen Debatte korreliert, fragt die Mainzer Langzeitstudie auch danach, wie sehr die Menschen der Berichterstattung zu bestimmten Themen vertrauen. Bisher waren die Angaben meist von der Schärfe und Polarisierung des Diskurses beeinflusst. Dies zeigt sich auch 2024: Emotional besonders aufgeladene Streitfragen sorgen eher dafür, dass sich auch in der Vertrauensfrage die Lager diametral gegenüberstehen - so etwa bei den Fragen, ob man der Berichterstattung über Migration (31 vs. 26 Prozent), über den Gaza-Konflikt ( 27 vs. 27 Prozent) oder über die AfD (38 vs. 29 Prozent) vertrauen könne. Weniger umstritten ist hingegen das Thema Klimawandel, das in den letzten Jahren von den Spitzenplätzen der publizistischen und gesellschaftlichen Agenda verdrängt wurde (45 vs. 20 Prozent).
Seit ihrem Beginn erforscht die Mainzer Langzeitstudie auch die Frage, wie stark der Medienzynismus in Deutschland ausgeprägt ist. Seit 2020 lässt sich ein leichter Anstieg aller Indikatoren messen: So stimmten im Jahr 2024 beispielsweise 24 % der Befragten zu, dass die Medien mit der Politik Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren (2023: 23 Prozent), und 20 % waren der Meinung, dass die Bevölkerung von den Medien systematisch belogen wird (2023: 17 %). Auch, dass die Medien die Meinungsfreiheit in Deutschland untergraben, wird von 20 % der Menschen angenommen (2023: 15 %). Auch wenn einzelne dieser Zuwächse noch in den Bereich der statistischen Fehlertoleranz fallen, geben sie doch Hinweis auf ein Muster: Wachsende Teile der Bevölkerung begegnen zentralen Pfeilern des deutschen Mediensystems mit fundamentaler Ablehnung.
Vergleicht man das deutsche Mediensystem mit anderen gesellschaftlichen Sphären, zeigt sich, dass es um das generelle Medienvertrauen (noch) nicht so schlecht bestellt ist: Die Medien liegen seit Jahren im Vertrauensranking im Mittelfeld (47 %), nur übertroffen von der Justiz (63 %) und der Wissenschaft (72 %). Wie die Justiz erlebt auch die Bundeswehr einen mehrjährigen Vertrauensaufschwung (45 %), die Kirchen dagegen haben massiv an Vertrauen eingebüßt und rangieren mit noch 14 % sogar unter dem langjährigen Schlusslicht Politik (19 %). Für die Analyse des gesellschaftlichen Diskurses ist es nicht nur wichtig zu wissen, die viel Vertrauen die Menschen in die Medien und andere Institutionen haben, sondern auch wie polarisiert und aggressiv die Auseinandersetzungen in und um Politik und Medien wahrgenommen werden. Die auch 2024 gemessenen Indikatoren zur vielfach diagnostizierten Verrohung des öffentlichen Diskurses zeigen nahezu allesamt nur in eine Richtung - nach oben: Immer mehr Menschen haben den Eindruck, ihre Mitmenschen beharrten zunehmend stur auf ihren Standpunkten (69 %), ließen andere nicht ausreden (68 %), wichen dauernd vom Thema ab (54 %), verschwiegen wichtige Fakten (44 %), äußerten Vorurteile über andere (44 %), machten bösartige oder zynische Bemerkungen (39 %) oder beleidigten und beschimpften andere (33 %). Im zweiten Jahr in Folge sind diese Wahrnehmungen angestiegen. Auch wenn die aktuellen Befunde keine Hinweise dafür geben, dass etwas ins Rutschen geraten ist, zeigen diese und andere der o.g. Befunde, dass sich hinter dem stabilen Eindruck von hoher Zustimmung zum deutschen Mediensystem und seinen zentralen Pfeilern etwas bewegt und die etablierten Wahrnehmungen und Bewertungen des letzten Jahrzehnts nicht in Stein gemeißelt sind.