Forschungsergebnisse der Welle 2023

Zurück zum Niveau vor der Pandemie – Konsolidierung von Vertrauen und Misstrauen

Das Vertrauen der Deutschen in die Medien ist seit den Spitzenwerten während der Pandemie 2020 wieder auf das Niveau vor der Pandemie gesunken. Ende 2023 stimmten 44 Prozent zu, dass man den Medien bei wichtigen Themen wie Umweltproblemen und politischen Skandalen vertrauen kann, was dem Niveau von 2019 entspricht. Die hohen Vertrauenswerte während der Pandemie bilden dabei Ausnahmen in einer Zeit mit einem erhöhten gesellschaftlichen Informationsbedürfnis.

Die Anzahl der Menschen, die mit „teils, teils“ antworteten, bleibt stabil. Der Anteil derjenigen, die den Medien eher nicht oder gar nicht vertrauen, ist gestiegen. Jeder vierte Befragte im Jahr 2023 gab an, den Medien tendenziell nicht zu vertrauen – im Vorjahr nur jeder fünfte. Um zu ermitteln, welche Medien den Befragten in den Sinn kommen, wenn sie ihr eigenes Medienvertrauen reflektieren, wurden diese erstmals darum gebeten, konkrete Medienangebote zu benennen.

Von 1.200 Befragten gaben nur 6% keine Antwort, und 5% sagten, es gebe kein vertrauenswürdiges Medium.  Die meisten Menschen finden folglich ihre Nische im vielfältigen Medienangebot in Deutschland. Ein fehlendes Vertrauen in das Mediensystem ist damit nicht gleichzusetzen mit dem fehlenden Vertrauen in verschiedene Medienangebote. Die Befragten benennen verschiedene Medien, von Sendern und Verlagshäusern bis hin zu konkreten Angeboten wie der Tagesschau. Öffentlich-rechtliche Angebote wie ARD und ZDF werden am häufigsten genannt, aber auch zentrale Flaggschiffe der Presse finden sich unter den häufigsten Nennungen. Die Antworten der freien Abfrage spiegeln sich auch in der schon lange etablierten Frage zum Vertrauen in Mediengattungen: Im Vergleich der Messzeitpunkte zeigt sich eine weitgehende Stabilität des Vertrauens in das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Trotz Diskussionen und Reformen bleibt das Vertrauensniveau stabil, mit nur einer kleinen Steigerung beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen von zwei Prozentpunkten (von 62 % auf 64 %) gegenüber dem Vorjahr, welche jedoch nicht zu überinterpretieren ist.

Auch der Anteil der Befragten, die dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur teilweise oder gar nicht vertrauen, bleibt unverändert. Ähnliche Stabilität zeigt sich bei regionalen und überregionalen Tageszeitungen sowie beim privaten Fernsehen und den Boulevardzeitungen, wobei letztere sich langsam in Richtung eines kaum zu unterbietenden Vertrauensniveaus annähern. Trotz der geringfügigen Veränderungen liegen alle gemessenen Werte innerhalb der Fehlertoleranz und spiegeln eine grundlegende Stabilität wider.

Das anhaltend niedrige Vertrauen der deutschen Bevölkerung in Online-Nachrichtenangebote setzt sich auch im Jahr 2023 fort. Es wurde ein neuer Tiefstwert von nur 2 Prozent Zustimmung für Nachrichten aus Sozialen Netzwerken verzeichnet. Das Vertrauen in Videoplattformen wie YouTube (6 %), alternative Nachrichtenseiten (4 %) und Nachrichten in Messengerdiensten-Gruppen (4 %) blieb im Vergleich zum Vorjahr auf einem stabil niedrigen Niveau. Zudem bleibt der Anteil der Personen, die zu diesen Angeboten keine Meinung haben, weiterhin recht hoch.

Eine zentrale Frage in der Mainzer Langzeitstudie lautet, wie weit verbreitet pauschal ablehnende, undifferenzierte bzw. feindselig-verschwörungstheoretische Medienkritik in der Bevölkerung verbreitet ist – eine Grundhaltung, die in der Mainzer Langzeitstudie als „Medienzynismus“ erfasst wird.

 Im Jahr 2023 haben solche Einstellungen im Vergleich zu den Vorjahren leicht zugenommen, wobei nur die Zustimmung zur Ansicht, dass die Medien ein Sprachrohr der Mächtigen seien, außerhalb der Fehlertoleranz von 3 Prozentpunkten liegt und somit als echte Veränderung betrachtet werden kann. Dennoch übersteigt die Ablehnung dieser Aussagen weiterhin deutlich die Zustimmung und die Werte ähneln tendenziell denen aus dem Vor-Pandemie-Jahr 2019. So stimmten im Jahr 2023 beispielsweise 23 % der Befragten zu, dass die Medien mit der Politik Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren, und 17 % waren der Meinung, dass die Bevölkerung von den Medien systematisch belogen wird. Es bestätigt sich auch im Jahr 2023, dass die deutschen Medien dauerhaft einer recht großen Gruppe von Menschen ausgesetzt sind, die ihre Arbeit in der wahrgenommenen Form fundamental ablehnt.

Die Ergebnisse zum Medienvertrauen werden durch das Vertrauen in andere gesellschaftliche Institutionen kontextualisiert: Im Jahr 2023 vertrauten 44 Prozent der deutschen Bevölkerung den Medien voll und ganz oder überwiegend – ein höherer Wert als das Vertrauen in die Politik (17 %) und die Kirchen (ebenfalls 17 %). Die Bundeswehr erzielte 2023 mit 43% erstmals ein Ergebnis, dass nah an das Ergebnis der Medien rankommt. Vor den Medien lagen die Justiz (59 %) und die Wissenschaft (69 %). Verglichen mit allen anderen Institutionen sind die Kirchen und die Politik die großen Verlierer im Vertrauen der Bevölkerung.

Zur weiteren Differenzierung werden die Befragten seit 2022 auch um ihre Meinungen über den deutschen Journalismus gebeten. Die Daten aus Abbildung 9 zeigen, dass sich seit dem Vorjahr die wahrgenommene Distanz zwischen der Bevölkerung und Journalistinnen und Journalisten leicht vergrößert hat.

Nur 9 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass die meisten Journalisten überheblich sind, wobei der Unterschied zum Vorjahr nicht signifikant ist. Die Anteile derjenigen, die glauben, dass Journalistinnen und Journalisten den Kontakt zu ihnen verloren haben, eine andere politische Meinung vertreten und in einer anderen Welt leben, sind jedoch messbar gestiegen.

Die aktuellen Erkenntnisse legen nahe, dass das Vertrauen in die Medien maßgeblich durch deren Leistung beeinflusst wird. In der aktuellen Welle der Studie wurden auch erstmals verschiedene Aspekte der „Medienperformance“ abgefragt, die sich auf das gesamte Mediensystem in Deutschland beziehen. Dabei bewerteten die Befragten die Leistung der Medien in verschiedenen Bereichen, darunter neutral informieren, zur Meinungsbildung beitragen, Kritik an der Politik üben, Missstände aufdecken und komplexe Sachverhalte erklären.

Die Ergebnisse zeigen gemischte Bewertungen, wobei die Medien in den Augen der Befragten am besten darin sind, neutral zu informieren, zur Meinungsbildung beizutragen, die Politik zu kritisieren, Missstände und Skandale aufzudecken sowie komplexe Sachverhalte zu erklären. Als defizitär wird insbesondere der Bereich der Teilhabe an politischen Prozessen empfunden. Nur ein Viertel oder weniger der Befragten findet, dass die Medien Interesse an politischen Fragen wecken oder dass die Medien Sprachrohr der Bürgerinnen und Bürger sind. Nur 27 Prozent, finden dass viele gesellschaftliche Gruppen zu Wort kommen.

Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen den Erwartungen an die Medien und ihrer tatsächlichen Leistung. Es ist jedoch anzumerken, dass die verschiedenen Ziele der Medienarbeit oft in Konflikt stehen und es schwer ist, allen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Dennoch können die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Schlüsselakteure betrachtet werden, um die Vielfalt der Meinungen angemessen darzustellen. Eine positive Entwicklung zeigt sich in der zunehmenden Annahme, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Vielfalt der Meinungen in der Gesellschaft angemessen darstellt (46% Zustimmung, weitere 27% teilweise).